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Telekosmos-Praktikum

Teil 1

• Title
• Heinz Richter
• Inhaltsverzeichnis
• Wichtige Hinweise
• Auswahl von Geräten
• Einleitung

A. Wir richten unser Experimentierlabor ein
B. Elektrotechnik, in Versuchen erlebt
C. Mit Halbleiterdioden auf du und du
D. Mit dem Transistor ist alles zu machen
Schlusswort
Anhang
I. Anwelsung zum Aufbau
II. Anleitung zum Prüfen und Reparieren von Einzelteilen

• Versuchsverzeichnis
• Stichwortverzeichnis
• Accessories
• Norm-Schaltzeichen nach DIN


D. Mit dem Transistor ist alles zu machen!

Jetzt wird es eigentlich erst richtig interessant, denn wir wollen uns nun mit dem Transistor praktisch befassen. Die Grundkenntnisse hat uns bereits der Abschnitt B/IV vermittelt, und daran wollen wir uns erinnern, wenn wir zunaechst den Transistor in praktischen Schaltungen ein wenig durchleuchten. Für den jetzt folgenden Abschnitt I gilt dasselbe wie für den Abschnitt I von Teil C: wer nicht allzu tief in die Transistortechnik eindringen will, braucht die hier folgenden Ausführungen nicht zu lesen. Trotzdem - zu einem richtigen Verständnis des Transistors kommt man erst, wenn man sein elektrisches Verhalten gruendlich untersucht, was wir jetzt tun wollen.

I. Der Transistor wird durchleuchtet

Das elektrische Verhalten eines Transistors kann man durch zahlreiche Daten ganz genau beschreiben. Besonders die sogenannte Vierpoltheorie spielt hier eine große Rolle, und gruendliche Physiker und Ingenieure wenden sie auch auf den Transistor gern an. Wir wollen das nicht tun, sondern uns bemühen, den Transistor als einfaches Schaltelement, etwa wie einen Kondensator oder eine Spule, zu betrachten. Das genügt für die Zwecke der Praxis, aber einige Grundbegriffe muss man kennen, um überhaupt verständnisvoll mit Transistorschaltungen arbeiten zu können. So haben wir bereits gehört, daß ein Transistor grundsaetzlich in drei verschiedenen Schaltungen, der Basisschaltung, der Emitterschaltung und der Collectorschaltung, arbeiten kann. Die grundsaetzlichen Unterschiede der verschiedenen Schaltungsarten müssen wir besprechen, ebenso einige charakteristische Kenndaten, zu denen z. B. die Stromverstärkung, die Spannungsverstärkung, die Leistungsverstärkung, die Sperrströme usw. gehören. Wir müssen dem Transistor mit Messinstrumenten sozusagen zu Leibe rücken und aus den Messungen unsere Schlussfolgerungen ziehen. Das geschieht zunaechst wieder - ebenso wie bei der Diode - zweckmaessigerweise anhand von Kennlinien, die wir - falls ein Ultran vorhanden ist selbst aufnehmen können.

1. Basisschaltung - bei Hochfrequenz wichtig

Der Transistor arbeitet in der sogenannten Basisschaltung, wenn man die Emitter-Basisstrecke steuert und dabei die Auswirkungen auf die Collector-Basisstrecke beobachtet. Die Basis ist in dieser Schaltung sozusagen der "ruhende Pol", der "Schaltungsnullpunkt", und die Basis ist den beiden Stromkreisen gemeinsam. Diese Schaltung, gleich als Meßschaltung zur Aufnahme wichtiger Kennlinien ausgebaut, zeigt Abb. 45 (Aufbau Abb.46). Der Emitter-Basisstrecke des Transistors T - wir verwenden den Leistungstransistor mit Kuehlschelle - kann man über R und P eine veränderliche Spannung und damit einen veränderlichen Emitterstrom zuführen, den wir mit dem eingezeichneten Strommesser meßen könnten. Da wir aber unser Instrument (am besten ist das Ultron, zur Not geht das Galvanometer) vor allem im Collectorkreis brauchen und da sein Innenwiderstand im Emitterkreis bei einem evtl. Umschalten einen Messfehler verursachen wuerde, verzichten wir gaenzlich auf die Emitterstrommessung und setzen den Emitterstrom dem Collectorstrom gleich. Das ist zuläßig, denn, wie wir schon wissen, unterscheiden sich beide nur durch den Basisstrom, der so klein ist, daß der entstehende Messfehler innerhalb der Instrumentengenauigkeit liegt. Wir erbringen den zahlenmaessigen Beweis etwas später.

Schaltung zur Kennlinienaufnahmne von Transistoren in Basisschaltung
Abb. 45. Schaltung zur Kennlinienaufnahmne von Transistoren in Basisschaltung

Über das Messinstrument im Collectorkreis führen wir nun dem Collector verschiedene Spannungen UCB zu, die sich auf die Basis als Nullpunkt beziehen. Die Basis selbst liegt lautSchaltbild auf -1,5 V, so daß wir, um UCB zu bekommen, diesen Spannungswert (1,5 V) jeweils von der Monozellen-Nennspannung abziehen müssen. Beim Anlegen von -1,5 V, -3 V, -4,5 V, -6 V, -7,5 V und -9 V ergibt sich demnach jeweils ein UCB von 0 V, -1,5 V, -3 V, -4,5 V, -6 V und -7,5 V. Zu jedem Spannungswert UCB wird der sich ergebende Collectorstrom notiert. Dabei wird an der Einstellung von P, die den Emitterstrom festlegt, nie etwas geändert (beim Einstellen des Potentiometers ist darauf zu achten, daß eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn zu höheren Emitter- bzw. Collectorströmen führt).

In der folgenden Tabelle sind die bei unserem Transistorexemplar ermittelten Messwerte für 3 verschiedene, fest eingestellte Emitterströme von 3, 6 und 8 mA enthalten. Diese Tabelle ergibt das "Ausgangs-Kennlinienfeld" des betreffenden Transistors für die Basisschaltung, jeweils für einen bestimmten Emitterstrom. Abb. 47 zeigt das so zustande kommende Ausgangskennlinienbild für die Basisschaltung.

Aufbauzeichnung zu Abb. 45
Abb. 46. Aufbauzeichnung zu Abb. 45

Collector-
spannung
Collectorströme
-IC [mA]
bei An-
schluss an
-UCB
[V]
für IE =
3 mA
für IE =
6 mA
für IE =
8 mA
-1,5 V 0 2,70 4,4 5,0
-3,0 V 1,5 2,85 5,8 7,8
-4,5 V 3,0 2,90 5,8 -
-6,0 V 4,5 2,90 5,9 7,85
-7,5 V 6,0 2,90 5,95 -
-9,0 V 7,5 2,90 5,95 7,9

Transistor-Ausgangskennlinien für die Basisschaltung
Abb. 47. Transistor-Ausgangskennlinien für die Basisschaltung

Wir sehen, daß die Kennlinien praktisch horizontal verlaufen, daß also eine Änderung der Collectorspannung fast nichts ausmacht. Lediglich eine ganz leichte Steigung von links nach rechts ist festzustellen. Besonders beachtlich ist, dass bei der Spannung UCB = 0 V immer noch ein betraechtlicher Collectorstrom fliesst. Wenn aber ein Strom fliesst, muss auch eine Spannung vorhanden sein, und diese stammt im vorliegenden Fall aus dem Spannungsabfall, den der Emitterstrom am inneren Basiswiderstand des Transistors erzeugt. Dieser Spannungsabfall läßt auch dann noch einen Collectorstrom fliessen, wenn zwischen Basis und Collector überhaupt keine äussere Spannung angelegt wird. Erst wenn wir an den Collector eine Spannung anlegen wuerden, die positiver als die Basis ist, könnten wir diesen Spannungsabfall kompensieren; dann wuerde der Collectorstrom auf 0 abfallen. Dieses Kennliniengebiet wollen wir aber nicht aufnehmen, um eine Beschaedigung des Transistors auf alle Faelle zu vermeiden.

Warum sind die Kennlinien, die den Zusammenhang zwischen Collectorstrom und Collector-Basisspannung zeigen, nahezu horizontal? Wenn wir die Ausführungen auf Seite 36 aufmerksam gelesen haben, verstehen wir den Grund. Der Collectorstrom ist ja, wenn man von dem kleinen Basisstrom einmal absieht, praktisch mit dem Emitterstrom identisch und nur um den Wert des Basisstromes vermindert. Wir haben gehört, daß der Collector fast saemtliche vom Emitterstrom stammenden Ladungsträger begierig aufnimmt, wenn nur einmal die Diffusionsspannung, die wir bei den Dioden kennenlernten, überwunden worden ist. Dazu genügt, wie die vorherigen Erläuterungen zeigten, schon der kleine Spannungsabfall am Basis-Innenwiderstand des Transistors. Dass die Kennlinien trotzdem eine kleine Steigung haben, ruehrt davon her, daß der Stromverstärkungsfaktor, der das Verhältnis zwischen Collector- und Emitterstrom darstellt, mit zunehmender Collector-Basisspannung leicht ansteigt, weil dann immer mehr Ladungstrager yom Collector eingesammelt werden. Infolgedessen erhöht sich der Collectorstrom in ganz geringem Ausmass. Da der Anstieg der Stromverstärkung jedoch sehr klein ist, wirkt sich das praktisch auf die Kennlinien nicht aus. Die Stromverstärkung in Basisschaltung, die man mit dem Buchstaben A bezeichnet, ergibt sich aus

A = -IC / IE = IC / (IB + IC) = < 1

Wir können jetzt den zahlenmaessigen Beweis für die anläßlich unserer Messung aufgestellte Behauptung, das Gleichsetzen des Emitterstroms mit dem Collectorstrom sei zuläßig, erbringen: Unsere Transistoren haben mindestens einen Stromverstärkungsfaktor von A = 0,99. Der Emitterstrom ist daher höchstens um 1% grösser als der Collectorstrom, sodass der Messfehler des Instrumentes schon wesentlich grösser als der durch A zustandekommende Fehler ist.

Nun kennen wir das gleichstrommaessige Verhalten des Transistors in Basisschaltung, das sich noch genauer durch die Formel

IC = -A · IE + ICBO

ausdrücken läßt. Die Formel gibt den Zusammenhang zwischen Collectorstrom IC, dem Stromverstärkungsfaktor A in Basisschaltung, dem Emitterstrom IE und dem sogenannten Reststrom ICBO an, auf den wir noch zu sprechen kommen werden.

Schon bei sehr kleinen Spannungen zwischen Emitter und Basis fliesst ein großer Emitterstrom; das deutet auf einen kleinen "Eingangswiderstand" des Transistors in dieser Schaltung, und tatsächlich ergeben sich hier nur Widerstände in der Grössenordnung von weniger als 100 Ω. Der horizontale Verlauf der Kennlinien nach Abb. 47 dagegen deutet an, daß der (differentielle) "Ausgangswiderstand" in Basisschaltung sehr gross ist, denn eine große Collector-Basis-Spannungsanderung hat ja nur winzig kleine Änderungen des Collectorstromes zur Folge. Tatsächlich liegen die Ausgangswiderstände in der Grössenordnung von M Ω. Diese Tatsachen und der stets unter 1 liegende Stromverstärkungsfaktor sind typisch für die Basisschaltung.

Wie steht es mit der Spannungsverstärkung? Legen wir in den Collectorkreis einen ohmschen Widerstand, so ruft dieser bei Steuerung des Emitterstromes einen relativ großen Spannungsabfall hervor. Die dafür erforderliche Spannungsänderung zwischen Emitter und Basis ist aber wegen des kleinen Eingangswiderstandes der Schaltung sehr gering. Deshalb entspricht die Spannungsverstärkung bei großer Stromverstärkung A (~1) etwa dem Verhältnis von Ausgangswiderstand im Collector zum Eingangswiderstand zwischen Emitter und Basis. Die Basisschaltung liefert daher eine recht betraechtliche Spannungsverstärkung. Die Leistungsverstärkung, auf die es in der Praxis am meisten ankommt, ist stets gleich dem Produkt aus Strom- und Spannungsverstärkung. Da die Stromverstärkung etwas kleiner als 1 ist, wird die Leistungsverstärkung stets etwas kleiner als der Zahlenwert der Spannungsverstärkung sein. Wie wir später sehen werden, verhält sich in dieser Hinsicht die Emitterschaltung wesentlich günstiger. Deshalb erhebt sich die Frage, warum man die Basisschaltung überhaupt verwendet.

In der Überschrift hiess es: "Bei Hochfrequenz wichtig." Tatsächlich eignet sich die Basisschaltung, auf einen bestimmten Transistortyp bezogen, für höhere Frequenzen besser als die Emitterschaltung. Das ist ganz einfach zu verstehen: Wir hörten bereits, daß die Ladungsträger im Basisraum um so schneller transportiert werden müssen, je höhere Frequenzen der Transistor verarbeiten soli. In der Basisschaltung transportiert der Emitterstrom die Ladungsträger in der Basis, und da er gross ist, geht das schnell. Deshalb finden wir die Basisschaltung sehr häufig bei Anordnungen, die mit hohen und höchsten Frequenzen arbeiten. Dass sich die Emitterschaltung in dieser Beziehung ungünstiger verhält, wird der naechste Abschnitt zeigen.