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Telekosmos-Praktikum

Teil 1

• Title
• Heinz Richter
• Inhaltsverzeichnis
• Wichtige Hinweise
• Auswahl von Geräten
• Einleitung

A. Wir richten unser Experimentierlabor ein
B. Elektrotechnik, in Versuchen erlebt
C. Mit Halbleiterdioden auf du und du
D. Mit dem Transistor ist alles zu machen
Schlusswort
Anhang
I. Anwelsung zum Aufbau
II. Anleitung zum Prüfen und Reparieren von Einzelteilen

• Versuchsverzeichnis
• Stichwortverzeichnis
• Accessories
• Norm-Schaltzeichen nach DIN


B. Elektrotechnik, in Versuchen erlebt

Welch ungeheure praktische Bedeutung die Elektronik und ihre Mutter, die Elektrophysik, heute besitzen, brauchen wir wohl nicht zu unterstreichen. Elektrotechnische Vorgaenge gehören so zum Ablauf unseres taeglichen Lebens, daß wir von ihnen praktisch keine Kenntnis mehr nehmen. Wer denkt noch daran, was passiert, wenn wir das Licht oder einen Staubsauger einschalten? Selbst über das technische Wunder, das sich beim Zustandekommen eines Fernsehbildes abspielt, machen sich viele keine Gedanken mehr.

Die juengsten und aktivsten Kinder der Elektrotechnik sind die Radiotechnik und Elektronik. Will man sich damit befassen - und das ist die Hauptaufgabe unseres Experimentierlabors -, so muss man wenigstens das Wichtigste über die Elektrotechnik wissen. Diesen Dingen dient der jetzt folgende Abschnitt, der die Grundlagen anhand erster Versuche bespricht. Auf diese Grundlagen werden wir immer wieder zurückkommen. Sie sind für alle unsere Versuche von fundamentaler Bedeutung.

I. Am Anfang war der Gleichstrom

Jeder kennt den "elektrischen Strom"; er besteht aus Elektronen. Das sind winzig kleine Teilchen, die der moderne Physiker als "Grenzfall" betrachtet. Wir merken uns lediglich, daß die Elektronen in ihrer Gesamtheit dann einen elektrischen Strom bilden, wenn sie sich fortbewegen.

1. Grundfundamente

Die Elektronen sind so klein, daß sie noch zwischen den Atomen 1) bestimmter Stoffe hindurchschluepfen können. Wir brauchen also zur Fortleitung des elektrischen Stromes feste, vorzugsweise metallische Koerper, beispielsweise ein Stück Kupferdraht. Stark vereinfacht können wir uns vorstellen, daß die Elektronen in einem solchen Draht in der Längsrichtung aufeinanderfolgen und so eine fortlaufende "Elektronenkette" bilden, die in Bewegung kommt, sobald man eine Kraft anwendet, die die Elektronen gewissermassen "in Schwung setzt". Diese Kraft heisst elektrische Spannung. Sie wird von den "Stromquellen" geliefert, die man sich als "Elektronenpumpen" vorstellen kann. Jede Stromquelle (in bestimmten Faellen macht man einen Unterschied zwischen Strom- und Spannungsquellen) besitzt zwei Anschlüsse, auch Klemmen oder Pole genannt, von denen der eine viel, der andere wenig Elektronen aufweist. Der Anschluß mit den wenigen Elektronen heisst Pluspol, positiver Pol oder Anode, der mit vielen Elektronen besetzte Anschluß Minuspol, negativer Pol oder Kathode.

Abb. 1 Fig. a zeigt den Längsschnitt durch einen Kupferdraht, in dem die Elektronen als Kreise angedeutet sind. Der Draht soll mit keiner Stromquelle verbunden sein, so daß sich die Elektronen überhaupt nicht bewegen. Zwei Elektronen sind besonders gekennzeichnet, rechts durch schwarzes Ausfuellen, links durch ein Kreuz. Legen wir nun die Anschlüsse der vorhin erwähnten Stromquellen an den Draht, so versucht die Stromquelle, ihre unterschiedliche Elektronenbesetzung auszugleichen. Durch den jetzt angeschlossenen Draht wird der Ausgleich möglich, so daß nunmehr vom Minuspol der Stromquelle, der viele Elektronen hat, ein "Stromfluss" zum Pluspol, der elektronenarm ist, zustande kommt. Die in dem Draht von Fig. a, Abb. 1 vorhandenen Elektronen werden also jetzt vorwärts geschoben, und zwar in Pfeilrichtung (Fig. b). Nach einer bestimmten Zeit ist das schwarz gezeichnete Elektron nunmehr ganz nach rechts

Elektronenfluss In der Leitung
Abb. 1. Elektronenfluss In der Leitung

gerückt, das angekreuzte Elektron um die gleiche Wegstrecke im Draht weitergewandert. Dieses Wandern wird so lange in unveränderter Stärke fortbestehen, bis ein vollständiger Ausgleich zustande gekommen ist. Da die Stromquelle aber dauernd Strom liefern soll, darf der Elektronenunterschied niemals verschwinden; deshalb sind alle Stromquellen so gebaut, daß sie den Elektronenunterschied ständig in gleicher Höhe aufrecht erhalten.

Offenbar wird sich der Ausgleich um so heftiger vollziehen, je größer der Elektronenunterschied der Stromquelle, also ihre Spannung, ist. Der elektrische Strom, der der Elektronenzahl entspricht, die je Zeiteinheit eine gerade ins Auge gefaßte Stelle des Drahtes durchfliesst, steigt also mit der angelegten Spannung. Weiterhin hängt die Stromstärke davon ab, ob die Elektronen in dem stromdurchflossenen Draht einen großen oder kleinen "Widerstand" antreffen. Ist beispielsweise der Draht lang und duenn, so wird der Widerstand gross sein. Ausserdem spielt die Beschaffenheit des Stoffes, durch den sie fliessen müssen, eine Rolle. Sperren sie den Elektronen überhaupt den Weg, so spricht man von Nichtleitern oder "Isolatoren"; sie "isolieren". Alle Stoffe, bei denen das nicht zutrifft, heissen Leiter. Wir sehen: der elektrische Widerstand hängt einerseits von der Länge und der sonstigen Beschaffenheit des Weges, anderseits vom Stoff des betreffenden Leitermaterials ab. Eine einfache Überlegung zeigt, daß der Strom bei gleich großer Spannung um so größer sein wird, je kleiner der Widerstand ist, während bei einem großen Widerstand der Strom entsprechend gering ausfällt. Zwischen Spannung, Strom und Widerstand bestehen absolut eindeutige Zusammenhänge, die im sogenannten Ohmschen Gesetz zum Ausdruck kommen. Es lautet:

Spannung = Strom · Widerstand, oder
Strom = Spannung : Widerstand, oder
Widerstand = Spannung : Strom.

Man ordnet in Physik und Technik jedem Begriff einen Buchstaben aus dem deutschen oder dem griechischen Alphabet zu. So wird die elektrische Spannung mit U, der Strom mit I und der Widerstand mit R bezeichnet. Das Ohmsche Gesetz kann jetzt auch folgendermassen geschrieben werden:

U = I · R oder I = U : R oder R = U : I

Der Techniker moechte mit elektrischen Werten rechnen können. Deshalb misst man schon seit langem diese Werte in bestimmten Einheiten. Die Einheit der Spannung ist das Volt (V), die des Stromes das Ampere (A) und die des Widerstandes das Ohm (Ω). Häufig kommen große und kleine Werte vor. Um dann nicht mit unhandlich langen Zahlen oder sehr kleinen Dezimalbrüchen rechnen zu müssen, hat man Untereinheiten eingeführt. Fur sehr große Spannungen gibt es demnach das Megavolt (MV) = 1 Million Volt, das Kilovolt (kV) = 1 000 Volt, während man sehr kleine Spannungen in Millivolt (mV) (1000 Millivolt = 1 Volt) und Mikrovolt (µV) (1 Million Mikrovolt = 1 Volt) ausdruckt. Für den Strom gibt es sinngemaess das Kiloampere (kA) bzw. das Milliampere (mA), das Mikroampere (µA) sowie in letzter Zeit das Nanoampere (nA) = 1 milliardstel Ampere. Bei Widerständen rechnet man mit Kiloohm (kΩ) und Megohm (MΩ), während die kleineren Einheiten Milliohm (mΩ) und Mikroohm (µΩ) kaum gebräuchlich sind.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß man die Eigenschaft eines Stoffes, den Strom gut oder schlecht zu leiten, nicht nur durch den Widerstand, sondern auch durch sein Leitvermögen oder seinen Leitwert (G) ausdrücken kann. Ein Stoff mit hohem Widerstand wird daher einen kleinen, ein Stoff mit niedrigem Widerstand dagegen einen hohen Leitwert haben. Leitwert und Widerstand sind zueinander, wie man sagt, reziprok. Demnach errechnet sich der Leitwert aus

Leitwert = 1 : Widerstand, und
Widerstand = 1 : Leitwert
oder G = 1 : R und R = 1 : G

Auch dem Leitwert hat man eine Einheit, das "Siemens" (S), erteilt. Die Untereinheiten lauten Millisiemens (mS) und Mikrosiemens (µS).

1) Streng genommen sind es lonen, also Atome, die eines Elektrons beraubt sind. Für uns genügt aber eine ganz einfache Vorstellung.