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Telekosmos-Praktikum

Teil 1

• Title
• Heinz Richter
• Inhaltsverzeichnis
• Wichtige Hinweise
• Auswahl von Geräten
• Einleitung

A. Wir richten unser Experimentierlabor ein
B. Elektrotechnik, in Versuchen erlebt
C. Mit Halbleiterdioden auf du und du
D. Mit dem Transistor ist alles zu machen
Schlusswort
Anhang
I. Anwelsung zum Aufbau
II. Anleitung zum Prüfen und Reparieren von Einzelteilen

• Versuchsverzeichnis
• Stichwortverzeichnis
• Accessories
• Norm-Schaltzeichen nach DIN


8. Das Gegenstück zur Kapazität: die Induktivität

Wir kommen nun zur Besprechung, eines weiteren wichtigen Bauteiles, der das Gegenstück zum Kondensator darstellt. Es handelt sich um die Induktivität (L), die in der Praxis durch eine Drahtspule verkoerpert wird. Um die Wirkungsweise einer Induktivität zu verstehen, müssen wir zunaechst wissen, daß sich um einen stromdurchflossenen Leiter herum ein besonderer Zustand einstellt, den man Magnetisches Feld nennt. Dieses Feld nun hat eine sonderbare Eigenschaft: während seiner Änderung, beispielsweise kurz nach dem Einschalten oder Abschalten des Stromes, ist es in der Lage, in einem benachbarten Leiter, aber auch in dem das Feld erzeugenden Leiter selbst, eine Spannung hervorzurufen ("Selbstinduktion"). Wir kommen auf diesen Vorgang auf Seite 29 noch naeher zurück.

Die Spannung, die an dem das Feld erzeugenden Leiter auf tritt, ist der Spannung, die an dem Leiter liegt, entgegengesetzt gerichtet. Beide Spannungen heben sich daher teilweise auf, mit dem Ergebnis, daß der in dem Leiter fliessende Strom schwaecher wird, als es dem Ohmschen Gesetz entsprechen wuerde. Massgebend für den Strom ist naemlich die Differenz der beiden Spannungen. Demnach setzt ein solcher stromdurchflossener Leiter dem Strom außer dem ohmschen Wirkwiderstand offenbar noch einen weiteren Widerstand entgegen, der jedoch nur dann vorhanden ist, wenn sich das Feld in irgendeiner Form ändert. Bei Wechselstrom bildet also ein solcher Leiter stets einen zusaetzlichen Widerstand, den man den induktiven Blindwiderstand nennt. Mit dem kapazitiven Widerstand hat er gemeinsam, daß er keine Wirkleistung verbraucht; außerdem besteht zwischen Strom und Spannung ebenfalls eine Phasenverschiebung von 90 degrees. Hier jedoch eilt die Spannung dem Strom stets vor, denn der Strom waechst nach Anlegen der vollen Spannung infolge der entstehenden Gegenspannung erst langsam an. Ferner steigt der induktive Widerstand mit der Frequenz (im Gegensatz zum kapazitiven Widerstand), weil höhere Frequenzen eine schnellere Änderung des Magnetfeldes bewirken, und je schneller sich dieses ändert, um so höher ist die erzeugte Gegenspannung, um so kleiner der Strom und um so höher der induktive Blindwiderstand.

9. Zur Induktivität gehört der induktive Widerstand

Man kann nun den induktiven Widerstand sehr heraufsetzen, wenn man eine "Spule" verwendet, die aus mehr oder weniger zahlreichen Drahtwindungen besteht. Dann naemlich addieren sich die zu jeder Windung gehörenden Magnetfelder zu einem betraechtlichen Gesamtfeld. Versieht man außerdem die Spule noch mit einem Kern aus Eisen, der das Magnetfeld gewissermassen an sich fesselt, so wirkt dieses besonders stark auf die Spule, und der induktive Widerstand wird entsprechend gross. Er hängt, um es zusammenfassend zu wiederholen, einerseits von der Frequenz, anderseits von den Daten der Spule ab. Dazu gehören außer der Zahl der Windungen, dem eventuell vorhandenen Eisenkern usw., auch noch die räumliche Formgebung der Spule, ihr Durchmesser, der Windungsdurchmesser usw. Alle diese Eigenschaften faßt man nun in einem gleichbleibenden Wert zusammen, der für jede Spulenform anders ist. Dieser Wert heisst Induktivität (L) oder Selbstinduktionskoeffizient und wird in Henry (H) gemeßen. Die Untereinheiten lauten Millihenry (mH) und Mikrohenry (µH); es sind 1 Million Mikrohenry = 1 000 Millihenry = 1 Henry.

Der induktive Widerstand XL (in Ω) einer Spule mit dem Selbstinduktionskoeffizienten L (in H) läßt sich bei gegebener Frequenz f (in Hz) nach der Formel XL = 6,28 · f · L berechnen. Die Berechnung von L selbst hängt weitgehend von der jeweiligen Spulenform ab.

10. So sind Spulen gebaut

Induktivitäten in Form von Spulen kommen ebenso wie Kondensatoren in der Praxis in der verschiedenartigsten Form vor. In unserem Labor haben wir drei verschiedene Arten. Zunaechst eine Spule mit sehr kleinen Induktivitäten, wie man sie für Hochfrequenz braucht. Wie man sieht, besteht diese Spule aus einem durchsichtigen Trägerkoerper, der in Kammern unterteilt ist, in die wir verschiedene Wicklungen isolierten Kupferdrahtes wickeln können. Im Innern des Trägerkoerpers erkennt man einen aus "Hochfrequenzeisen" bestehenden Stift mit Gewinde, der sich heraus- oder hineinschrauben läßt. Damit kann man die Induktivität verändern.

Eine andere Art von Spule mit wesentlich höherer Induktivität ist im Kopfhörer enthalten. Wir schrauben einmal den Deckel ab und entfernen die dann zutage tretende Membran. Jetzt erkennen wir zwei kleine Spulen, die mit zahlreichen Windungen feinsten Drahtes bewickelt sind und auf einem nahezu massiven Eisenkern sitzen. Spulen dieser Art kommen vor allem in Geräten vor, die mit sehr niederen Frequenzen (Tonfrequenzen) arbeiten. Die Induktivität solcher Spulen ist erheblich größer als die von Hochfrequenzspulen. Als dritte Induktivität in unserem Kasten können wir die Wicklungen des Transformators ansehen, die auf einem Kern aus lamelliertem Eisenblech sitzen.

11. Wir hören und sehen, was in der Spule steckt

Ebenso wie beim Kondensator müssen wir zunaechst auf Wechselstromversuche mit Spulen verzichten, weil wir vorerst keine Wechselspannung haben. Um so oefter kommen wir damit in späteren Versuchen in Beruehrung. Ein einfacher Versuch jedoch ist möglich: Wir legen die Spannung (U = 1,5 V) einer Monozelle an die Anschlüsse gr - sw des Transformators (Widerstand = 700 Ω) und beobachten, was beim Unterbrechen dieser Verbindung geschieht: Es entsteht ein ziemlich großer Funken, der nur von einer in der Spule steckenden Energie stammen kann. Aehnlich wie einen Kondensator kann man naemlich auch eine Spule "aufladen", d. h. ihr einen Arbeitsinhalt zuführen. Dieser drückt sich beim Kondensator durch die Spannung aus, auf die seine Kapazität geladen ist, bei der Spule durch den Strom, den sie in ihrer Induktivität führt. Beim Unterbrechen des Stromes wird dieser Arbeitsinhalt frei, und zwar in Form von Licht und Wärme im Unterbrechungsfunken. Man kann den Arbeitsinhalt (in Ws) der Spule auch berechnen. Er beträgt A = L · I²/2 (Selbstinduktionskoeffizient L in H, I = Strom in A). Mit den sich bei uns ergebenden Zahlenwerten (L ≈ 13 H, 1 ≈ 9/700 = 0,013 A) ist A = 13 · 0,013²/2 = 0,001 Ws.

12. Was ein Transformator ist

Jeder Transformator besteht aus mindestens zwei Spulen, die so zueinander angeordnet sind, daß das von einer Spule erzeugte Magnetfeld stets alle anderen Spulen ebenfalls durchsetzt. Man sagt, die beiden Spulen sind miteinander gekoppelt. Die "Kopplung" ist um so enger, je vollständiger das Kraftfeld der einen Spule die anderen Spulen durchsetzen kann. Legen wir nun an die eine Spule eine Wechselspannung, so tritt infolge der schon beschriebenen Wirkung eines sich ändernden Feldes in der anderen Spule ebenfalls eine Wechselspannung auf. Deren Höhe hängt nun lediglich vom Verhältnis der Windungszahlen der beiden Spulen ab. Haben beide Spulen dieselbe Windungszahl, so ist die neu entstehende Spannung an der "Sekundaerspule", die wir Sekundaerspannung nennen, ebenso gross wie die Spannung an der stromdurchflossenen "Primaerspule", auch Primaerspannung genannt. Ist die Windungszahl der Sekundaerwicklung kleiner als die der Primaerwicklung, so ist die erzeugte Spannung im gleichen Verhältnis kleiner; ist sie größer, so ist auch die Sekundaerspannung entsprechend größer als die Primaerspannung. Wir können also mit solch einem Transformator Spannungen beliebig herauf- und heruntersetzen. Man spricht von "Spannungstransformation". Aber auch Ströme lassen sich transformieren; schliessen wir z. B. an die Sekundaerwicklung einen Belastungswiderstand an, so kann, wenn die Sekundaerspannung kleiner als die Primaerspannung ist, ein im gleichen Masse größerer Sekundaerstrom gegenuber dem Primaerstrom fliessen. Immer jedoch ist das Produkt aus Strom und Spannung, also die Leistung, auf der Sekundaerseite gleich, praktisch sogar etwas kleiner als auf der Primaerseite, denn man kann aus einem Transformator trotz der Steigerungsmöglichkeiten für Strom und Spannung niemals eine größere Leistung entnehmen, als primarseitig hineingeschickt wurde.

Wir sehen, daß der Transformator die Eigenschaft eines sich ändernden Magnetfeldes, die Spannungserzeugung, weitgehend ausnuetzt. Diese Spannungserzeugung durch Magnetfeldänderung wird Induktion genannt. Das Verhältnis der Primaerwindungszahl N1 zur Sekundaerwindungszahl N2 heisst Übersetzungsverhältnis, und es gilt hierfür sowie für die zugehörigen Ströme I bzw. Spannungen U die Beziehung:

ü = N1 / N2 = U1 / U2 = I2 / I1

13. Wir sehen - und fühlen die Induktion

Anhand eines Versuches wollen wir uns von dem Indukt.ionsvorgang ein praktisches Bild machen. Wir bauen die Schaltung Abb. 18 nach Abb. 18 bzw. 19 auf. Dann können wir die Spannung von 1,5 V über den Schalter S4 an die Klemmen rt - br des Transformators legen. S4 bleibt vorerst ausgeschaltet. An die Wicklung ws - ge schalten wir die Anschlüsse des Galvanometers oder das Ultron (5-V-Bereich) an gr-sw und schalten S4 ein. Im gleichen Augenblick werden wir einen Ausschlag in einer bestimmten Richtung bemerken, der jedoch bald verschwindet. Allerdings müssen wir das Galvanometer soweit wie möglich vom Transformator entfernt aufstellen, damit die Nadel nicht unmittelbar durch den Transformatorkern abgelenktwird. Wenn wir den Schalter S4 wieder ausschalten, den &,trom also unterbrechen, wird die Galvanometernadel erneut, jetzt aber in der umgekehrten Richtung, abgelenkt. Diese Ablenkung ist stärker als die erste, denn beim Oeffnen des Stromkreises fallt das Magnetfeld besonders schnell ab, so daß eine entsprechend hohe Spannung induziert wird. An Stelle des Galvanometers können wir auch den Kopfhörer anschliessen; wir hören dann beim Schliessen des Stromkreises ein leises, beim Oeffnen ein lautes Knacken. Ausserdem können wir zwei Finger an die Wicklung gr-sw halten; im Augenblick des Oeffnens des Stromkreises erhalten wir einen deutlich fühlbaren Schlag. Die Wirkung der Induktion wird also gut demonstriert.

Zur Wirkung der Induktion (mit Ultron gemeßen)
Abb. 18. Zur Wirkung der Induktion (mit Ultron gemeßen)

Aufbauzeichnung zu Abb. 18 (mit Galvanometer gemeßen)
Abb. 19. Aufbauzeichnung zu Abb. 18 (mit Galvanometer gemeßen)

14. Sogar Widerstände kann man transformieren

Dass man Widerstände transformieren kann, zeigt das folgende, einfache, gedankliche Zahlenbeispiel, das wir mit unserem kleinen Transformator keinesfalls in die Tat umsetzen duerfen: Wir denken uns an der Wicklung gr-sw eine Wechselspannung U1 von 220 V liegend, und es möge nur ein Strom I1 von z. B. 0,153 A fliessen. Die Wicklung wirkt also wie ein "echter" ohmscher Widerstand R1 von 220 : 0,153 = 1440 Ω.

An der Sekundaerseite (z. B. rt - br) jedoch haben wir nur eine Spannung U2 von 34 V, der wir beispielsweise einen Strom I2 von 1 A entnehmen können. Das aber entspricht einem Widerstand R2 von 34 : 1 = 34 Ω. An der Primaerseite haben wir also 1440 Ω, an der Sekundaerseite nur 34 Ω. Der Sekundaerwiderstand erscheint also gewissermassen je nach Übersetzungsverhältnis u auf der Primaerseite mit einem wesentlich höheren Wert. Diese Tatsache ist praktisch sehr wichtig, wenn man zwei elektrische Schaltorgane mit verschiedenen Widerstandswerten aneinander "anpassen" muss, beispielsweise um aus einer Stromquelle ein Hoechstmass an Leistung herauszuholen. Wir werden das in den folgenden Versuchen noch häufig erleben, z. B. wenn wir den relativ großen Ausgangswiderstand eines Transistors an den sehr kleinen Widerstand des LautBprechers anpassen müssen.

Die Widerstandstransformation läßt sich aus den Zusammenhängen

R1 = U1 / I1 und R2 = U2/I2 = (U1 / ü) / (ü · I1) zu R2 = R1 / ü²

leicht berechnen. In unserem Fall hat z. B. der Transformator ein Übersetzungsverhältnis von ü = sqrt(R1 / R2) = sqrt(1440 / 34) = 6,5.

Rechnungen dieser Art gelten allerdings nur für einen idealen Transformator ohne Verluste und Streuungen.